Die Seminarleitung hatte Christian Runge, Jurist und ehemaliger Beauftragter der Bundesregierung für den Berlin-Umzug, der die Geschichte Berlins von der Nachkriegszeit bis heute persönlich miterlebt hat. Zur Begrüßung und zum Abschlussgespräch stand uns Rüdiger Jakesch, der geschäftsführende Vizepräsident der THW-Bundesvereinigung zur Verfügung. Unsere Unterkunft war das Robert-Tillmanns-Haus im Vorort Nikolassee.
Am ersten Nachmittag lernten wir Rechtsanwalt Horst-Holger Winzer kennen, ein damals in den Westen geflohener Sohn und Enkel von DDR-Machthabern. Der zettelte ein locker-herausforderndes Gespräch über deutsche Gesellschaftssysteme im Rückblick und Vergleich und über mögliche zukünftige Problemlösungen an.
Am Dienstag besuchten wir nach einer Innenstadtbesichtigung am Vormittag den THW-Länderverband Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und die THW-Bundesvereinigung in ihrem gemeinsamen Dienstgebäude. Zur Eröffnung unseres Gespräches mit dem Landesbeauftragten Manfred Metzger erschien Präsident Albrecht Broemme zu einem kurzen persönlichen Grußwort. Metzger erzählte von der Geschichte des THW-Aufbaus in Ostdeutschland seit der Wende, berichtete von einer seither zunehmenden Entfremdung und warnte vor der zunehmenden, berufsbedingten Abwanderung qualifizierter Führungskräfte aus den ostdeutschen Ortsverbänden. Metzger berichtete auch über das Internetprojekt „Kommunikationsplattform“ und die Entwicklung des grenzüberschreitenden Katastrophenschutzes. Weitere Themen: Zunahme des Freiwilligenanteils auf etwa die Hälfte, Integration von sozial und politisch abdriftenden jungen Menschen und Zusammenlegungspläne zwischen THW und Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Dass es beim THW ordentlich Mittagessen gab, braucht ja fast nicht erwähnt zu werden. Danach ging es in den Bundestag. Dort hatten wir ein informatives und lebendiges Gespräch mit Klaus Hagemann, SPD-Bundestagsabgeordneter, Mitglied des Haushaltsausschusses im Bundestag und Vizepräsident der THW-Bundesvereinigung. Themen waren unter anderem: Künftige Haushaltsentwicklung für das THW unter Einbeziehung der erhöhten Mehrwertsteuer ab dem Jahr 2007 (unser Haushalt bleibt stabil!) und die Unabhängigkeit des Abgeordneten in der politischen Praxis. Hierzu sagte er uns drei Punkte: 1. In der fachbezogenen Fraktionsarbeit geht es nicht ohne gegenseitiges Delegieren von Fachkompetenz zu unterschiedlichen Gebieten, weil jeder nur einen Teil beherrscht; das führt zu geschlossenem Stimmverhalten. 2. Nie bekommt man so schnell einen Termin beim Fraktionschef als wenn man ankündigt, abweichend abzustimmen – der persönliche Begründungsaufwand steigt gewaltig. 3. Unveräußerliche, nicht beeinflussbare Gewissensentscheidungen sind die, bei denen es um Leben und Tod geht. Nach dem Gespräch gab es eine Führung im (leider sitzungsfreien) Plenarsaal. Natürlich besichtigten wir auch die gläserne Kuppel, um – ganz im Sinne des Architekten Sir Norman Foster – den Abgeordneten „aufs Dach zu steigen“.
Am Mittwoch besuchten wir den Bundesrat. Danach gab es eine Hausführung durch das Berliner Abgeordnetenhaus (= Landtag des Bundeslandes Berlin). Es gab ein Gespräch mit einem Abgeordneten der CDU. Hauptthema war die Haushaltslage Berlins im Vorfeld des mittlerweile ergangenen Urteils des Bundesverfassungsgerichtes.
Nachmittags besuchten wir das Bundeskanzleramt und unterhielten uns mit Regierungsdirektor Torsten Akmann, Referent im Bundeskanzleramt für Fragen des Innenministeriums. Der gab kompetent und verständlich Auskunft über seine Arbeit. Hauptthema war die Steuerung des Katastrophenschutzes auf Bundesebene. Akmann berichtete auch über die seit etwa vier Wochen eingerichtete Arbeitsgruppe zur künftigen Zusammenarbeit von THW und BBK. Danach gab es eine Führung durch das Haus. Besonders beliebt war die Kulisse für die Pressekonferenzen, vor der sich natürlich das halbe Seminar zur Erinnerung ablichten ließ.
Donnerstag ging es zur Gedenkstätte im ehemaligen Untersuchungsgefängnis des „Ministeriums für Staatssicherheit“ der DDR im Stadtteil Hohenschönhausen. Herr Walter, ein kompetenter und engagierter Zeitzeuge, damals wegen so genannter „Republikflucht“ eingesperrt und verhört, führte uns durch den Knast und erklärte den damaligen Umgang mit Menschen. Der Anblick von bis ins Jahr 1960 genutzten Isolationszellen im Keller, dem berüchtigten „U-Boot“, die Prozeduren der Isolationshaft bis im Jahr 1989 und die Schilderung der Psychotaktik bei Vernehmungen gaben uns einen echt krassen Eindruck. Am Nachmittag besuchten wir das Informations- und Dokumentationszentrum (IDZ) der Bundesbeauftragten für die StaSi-Unterlagen. Deren Leiter, Dr. Peter Boeger, erklärte uns das Verfahren der Akteneinsicht, die damit verbundene menschliche Belastung und den Umgang mit Grenzfällen, in denen Täter- und Opferrolle schwer zu sortieren sind. Sehr eindrücklich war die Schilderung der StaSi-typischen Strategie, menschliche Beziehungen durch gesähtes Misstrauen und geheime Maßnahmen zu zersetzen. Danach konnten wir auch noch das Dokumentationszentrum Berliner Mauer besichtigen und bekamen eine Führung durch ein erhaltenes Stück Mauer mit Todesstreifen. Das liegt an der Stelle, an der im Jahr 1961 die Leute aus dem 3. Stock in die Sprungtücher der (West-) Berliner Feuerwehr gesprungen sind und wo die DDR-Führung später die Versöhnungs-Kirche sprengen ließ.
Am Freitag morgen gab es erst einen Vortrag mit Diskussion über die europäische Einigung nach dem Zweiten Weltkrieg, über den geschichtlichen und zukünftigen Begriff Europas und über Chancen und Risiken der EU-Erweiterung. Danach machten wir einen Ausflug nach Potsdam, bei dem uns Herr Runge viel über die Geschichte der Gegend sagen konnte, durch die wir fuhren. Wir sahen Schloss Cecilienhof (den Ort der Potsdamer Konferenz von 1945), die Schlossanlagen von Sanssouci und die Potsdamer Innenstadt mit dem berühmten, heute wiederhergestellten „Holländischen Viertel“.
Am folgenden Abreisetag hatten wir eine Abschlussbesprechung mit Teilnehmerkritik, an der auch Rüdiger Jakesch wieder teilnahm. Wir sprachen unter anderem noch einmal über das Thema THW - BBK und erfuhren als neuesten Stand, dass die damit zusammenhängenden Entscheidungen verschoben wurden und das THW wahrscheinlich eine eigenständige Bundesorganisation bleiben soll. Bedauerlich fand ich bei unserem Seminar, dass keine Teilnehmer aus Ostdeutschland dabei waren.
Während dieser Woche bekamen wir auch viel von der Stadt zu sehen. Zum offiziellen Programm gehörte – jedem freigestellt – der Besuch der Holocaust-Gedenkstätte. Abends und in Programmpausen habe ich mir alleine noch weitere Sachen angeschaut, unter anderem das jüdische Museum. Eine Fahrt auf den Fernsehturm sollte man sich nicht entgehen lassen. Toll gerade für THW-Helfer ist natürlich das Deutsche Technik-Museum, das ich am Wochenende vorher schon besuchte.
Die Berlin-Seminare der THW-Bundesvereinigung im Jahr 2007 finden vom 5. bis 10. März, vom 7. bis 12. Mai, vom 8. bis 13. Oktober und vom 22. bis 27. Oktober 2007 statt. Interessierte können jetzt schon Bescheid sagen, damit die Bundesvereinigung besser planen kann und Infos zuschickt.
Text: Norbert Steimel, THW Köln